Mittwoch, 27. Februar 2013

Katharina und Anna Thalbach lesen Thomas Brasch

Dresden am 26. Februar 2013. Das Wetter ist am Abend etwas regnerisch, 
aber nicht sonderlich kalt. 
Im Dresdner Staatsschauspiel wird an diesem Abend eine besondere Lesung - im Rahmen 
der Reihe "Prominente Schauspieler lesen Jahrhunderttexte" anlässig der 100. Spielzeit des Staatsschauspiels - gegeben: 
(Fotoquelle: Privat)
Die Lesung ist witzig und wird sehr charmant von Anna und Katharina Thalbach vorgetragen. 
Neben der eigentlichen Lesung erzählen beide einiges zu den Texten und deren Entstehung. Man merkt beiden an, dass es ihnen viel Spaß macht, die Texte von Thomas Brasch vorzutragen. 
Gelesen wird - neben Gedichten - auch Theatertexte, Geschichten und auch ein kleines Filmexposé.

Mein absolutes Lieblingsstück von Thomas Brasch wird auch vorgetragen - 
beide teilen sich diesen Text:

Warum Spielen?
Um diese Frage überflüssig zu machen | um eine Gegenwelt herzustellen | um die Träume von Angst und Hoffnung vorzuführen einer Gesellschaft, die traumlos an ihrem Untergang arbeitet | um die Toten nicht in Ruhe zu lassen | um die Lebendigen nicht in Ruhe zu lassen | um Wurzeln zu schlagen | um Wurzeln auszureißen | um Geld zu verdienen | um ein Lebenszeichen zu geben | um einen Tod anzuzeigen | um eine Erfindung zu machen | um nicht arbeiten gehen zu müssen | um Arbeit zu haben | um den tiefen Schlaf einer erschöpften Gesellschaft mit Fratzen zu erschrecken | um nicht einzuschlafen | um nicht aufzuwachen | um das Vergessen zu töten | um nicht allein zu sein | um eine Zeremonie aufzuführen in einer Zeit ohne Zeremonien | um keine Verantwortung zu haben | um allein zu sein | um auszulöschen, was ICH genannt wird | um zusehen zu können | um dem Pathos solcher Antworten zu entgehen | um die Rollen zu wechseln | um Lügen zu verbreiten | um vom Blick einer erfüllten Liebe gestreift zu werden und vom Blick der Wut | um den Kapitän wieder einmal endgültig an den Mastbaum zu nageln | um einer Frau unter einem Vorwand und ohne Folgen in die Wäsche greifen zu können | um herauszufinden, wer das Kind erschossen hat, das schrie: Der Kaiser ist nackt | um zu schrein: Der Kaiser ist nackt | um nicht reden zu müssen | um nicht schweigen zu dürfen | um die Regeln der Schwerkraft außer Kraft zu setzen | um aus der Welt ein Theater zu machen aus Stein, Holz und Gittern | um drinnen und draußen zu sein zu gleicher Zeit | um einen Umweg zu finden | um Täter und Opfer zu sein zu gleicher Zeit | um Mann und Frau zu sein zu gleicher Zeit | um in diesem endlosen Vorkrieg nicht zu ersticken | um über einen Sterbenden lachen zu können | um die Geister zu bannen, vor den Türen und unter dem Tisch: Hilfe ich lebe | um diese krachende Stille nicht aushalten zu müssen | um herauszufinden, wie lange einer ausgehalten wird von Leuten, die sich genausowenig für ihn interessieren wie für sich selbst | um nicht angestellt zu sein | um vergessen zu werden | um die Frage überflüssig zu machen: Warum spielen | Um zu spielen |
(Thomas Brasch) 

 Nach der Lesung wird durch Thomas Bille noch ein Interview mit den beiden angeschlossen, in dem sie noch etwas zu ihrem persönlichen Verhältnis zu Thomas Brasch erzählen und betonen, dass es ihnen wichtig ist, sein literarisches Erbe am Leben zu erhalten. 

Alles im Allen ein wunderschöner und gelungener Abend, der Lust darauf macht, mal wieder etwas von Thomas Brasch zu lesen und ihn vielleicht dabei auch neu zu entdecken. 

Noch ein Tipp für alle, die gerne mehr hören wollen:
(Bildquelle: www.amazon.de)   
Alles Liebe,
Katja


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Schön, das Du hier bist!
Über Deine Kommis freue ich mich natürlich sehr. Schreib doch einfach was Dir auf der Seele brennt.
Alles Liebe,
Katja
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